Ecuadors Präsident abgesetzt

veröffentlicht am 28.04.05 von Stefan Freudenberg

(Berlin, 25. April 2005, npl-poonal).- Das ecuadorianische Parlament hat am Mittwoch (20. April) den Präsidenten Lucio Gutiérrez abgesetzt und dessen Stellvertreter Alfredo Palacio zum Nachfolger bestimmt. Vorausgegangen waren wochenlange Massenproteste gegen die Regierung. Gutiérrez, der sich bis zuletzt weigerte, von seinem Amt zurückzutreten, hielt sich zunächst in der brasilianischen Botschaft in Quito auf. Vier Tage später wurde er in einem brasilianischen Militärflugzeug ins Exil nach Brasilien ausgeflogen. Ein Teil der außerparlamentarischen Protestbewegung fordert Aussagen des kolumbianischen Fernsehsenders RCN zufolge nun die Auflösung des ecuadorianischen Parlaments.

Die Absetzung des ehemaligen Militärs Gutiérrez wurde von 60 der 100 Parlamentarier beschlossen. Die Abgeordneten rechtfertigten ihre Entscheidung damit, dass Gutiérrez mit der Verhängung des Ausnahmezustandes am vorvergangenen Wochenende (9./10. April) die Verfassung verletzt und das Agieren paramilitärischer Gruppen gegen die Protestierenden gefördert habe. Der Kongress habe dies als „Verlassen des Amtes“ interpretiert, wie Luis Villacís, Abgeordneter der Demokratischen Volksbewegung erklärte. Nachdem die Entscheidung der Parlamentarier bekannt wurde, verkündigte der ecuadorianische Justizminister Nelson Herrera, auch die Streitkräfte hätten Gutiérrez die Unterstützung entzogen. Von einer „illegalen Entscheidung des Parlaments“ sprach hingegen ein Sprecher der bisherigen Regierung.

Der neue Präsident Palacio wurde noch am Mittwoch kurz nach Gutiérrez Amtsenthebung vereidigt. Während der ersten Pressekonferenz im Verteidigungsministerium erklärte der 60-jährige Kardiologe, eine Verfassungsgebende Versammlung einberufen zu wollen. Er betonte, mit seinem Amtsantritt sei Ecuador „zur Verfassung zurückgekehrt“ und der Grundstein für eine „Neugründung der Republik“ gelegt worden. Die Armee versprach dem neuen Präsidenten Loyalität und rief die Bevölkerung zur Ruhe auf.

Dennoch schienen die Proteste auf den Straßen zunächst nicht abzuflauen. Nachdem am Dienstag und Mittwoch erneut und schließlich erfolgreich Hunderttausende in der Hauptstadt Quito, darunter Lehrer, Schüler, Studenten, Rentner und Nachbarschaftsgruppen den Rücktritt des „Diktators Gutiérrez“ gefordert hatten, wurde auch dessen Nachfolger Palacio nach seiner Vereidigung am Mittwoch von mehreren tausend Demonstranten bedrängt. Sie forderten auch die Auflösung des Parlaments. So lautete eine der am häufigsten gehörten Parolen während der Straßenblockaden und Demonstrationen auch: „Que se vayan todos“ — „Alle sollen gehen“. Luis Macas, Präsident des während der Proteste der vergangenen Wochen besonders stark vertretenen Dachverbandes der indigenen Organisationen Ecuadors (CONAIE), erklärte bereits eine Woche zuvor, Ziel seiner Organisation sei nicht nur der Rücktritt des Präsidenten, sondern die Bildung eines „autonomen politischen Blocks gegen alle oligarchischen Kräfte und ihre politischen Parteien“. Man werde die Proteste, so Macas weiter, „solange fortsetzen, bis die Regierung und das politische Establishment gegangen sind.“

Hintergrund für die politische Krise in dem Andenland war eine von Gutiérrez durchgesetzte und verfassungsrechtlich höchst umstrittene Neubesetzung des Obersten Gerichtshofes sowie des Verfassungs- und Wahlgerichtes mit regierungstreuen Amtsträgern im Dezember 2004. Gutiérrez hatte mit dieser Maßnahme versucht, ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn zu verhindern.

Von Alexandra Cortés, Poonal

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